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Presse zu Top Dogs (Spielzeit 2008/09)

 

NRZ vom 24. November 2008

Die Monster sind los
Im Klever XOX-Theater hatte Urs Widmers Kapitalismus-Stück „Top Dogs“ Premiere.
von Andreas Daams

KLEVE. „Business, das ist Krieg, Blut und Tränen.“ Entlassene Top-Manager treffen sich in einem Institut, das sie fit machen soll für eine Fortsetzung der Karriere.

Doch zunächst geht es darum, den „emotionalen Prozess der Enttäuschungsverarbeitung“ zu durchstehen. Rollenspiele stehen auf dem Programm, Lebens- und Berufsbeichten. In diesem Rahmen fallen Sätze wie „Der Markt braucht Monster.“ Abgründe aus Verzweiflung, Demütigung, Isolation und Gemeinheit tun sich auf. Und der Zuschauer in Urs Widmers Stück „Top Dogs“ könnte sich prächtig darüber amüsieren. Wenn einem das Lachen nicht im Halse stecken bleiben würde. So topaktuell ist dieses 1996 geschriebene Stück.
Die Kaffeemaschine als Trostspenderin Die ausverkaufte Premiere im XOX-Theater passte jedenfalls genau in die momentan herrschende Endzeitstimmung. Was vorgestellt wird, ist die Götterdämmerung der Hochfinanz. Da kontrastiert Widmer religiös anmutende Anrufungen börsennotierter Konzerne mit biblischer Apokalypse. Und die Priesterschaft des kapitalistischen Systems rennt über die Bühne wie ein Schwung zum Verzehr bestimmter Martinsgänse.

Schauspielerisch war die Darbietung ein Genuss. Manfred Küper, Agnes Bröker, Dagmar Fischer, Gerd Walther, Klaus Gerritzen, Gudrun Hütten, Jeroen Blok  und Ernst Hanßen verkörperten die verschiedenartigen Charaktere mit großer Glaubwürdigkeit. Wolfgang Paterok inszenierte dieses abwechslungsreiche Chefetagen-Trauerspiel sehr temporeich. Für ihn und das XOX-Ensemble muss „Top Dogs“ eine besondere Herausforderung gewesen sein. So viele Darsteller gab es auf der XOX-Bühne noch nie.


Überhaupt, die Bühne: eine unpersönliche Wartehalle mit einer Kaffeemaschine in der Rolle der Trostspenderin. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, schrieb einst Thomas Hobbes. Der theatrale Einblick ins Wolfsgehege der Wirtschaft offenbart: Irgendwann müssen die Wölfe einmal Menschen gewesen sein.

 

RP vom 25. November 2008

Lauter frustrierte Manager
Urs Widmers „TOP Dogs” im XOX-Theater traf den Nerv der Zeit: Erzählt das Stück doch von Krise und entlassenen Managern
von Matthias Grass

KLEVE Zusammengesunken sitzt er dort auf seinem „Chefsessel“. Ein Häufchen Elend, das da übrig blieb und davon erzählt, wie alles verloren ging – Job, die Frau, der geliebte Zweitwagen, die Selbstachtung. Das einzige, was blieb, ist der Porsche in der Garage. Das Statussymbol für einen Mann, dem der Status abhanden gekommen ist und dessen Maschine so nur noch im Stand in der Garage röhren darf. So, wie der einstige Porsche unter den Chefs sich nicht mehr auf die Straße traut. Denn „Top Dogs“ von Urs Widmer erzählt von entlasse­nen Managern. Ein Stück, das besser kaum in die Zeit passen könnt – denn nachdem die Finanzkrise auch die wirkliche Wirtschaft kalt erwischt hat, rollen die Köpfe der Manager wie die Shakespearscher Könige übers Parkett. Zudem bekam Pateroks Inszenierung dieses immer noch frischen Stoffes von 1996 eine unangenehme, direkte Aktualität: Erst am Vortag war die drohende Schließung von National Starch in Kleve gemeldet worden. Das hob das Stück – ließ den Spaß daran aber vor allem bei den nichtbeamteten Zuschauern im Halse stecken: Wer ist als Nächster dran?

Wirtschaftskönige       

Eigentlich hatte Urs Widmer gefragt, was passiert, wenn die Entlasser plötzlich zu Entlassenen werden? Und so erzählt er Geschichten von „Wirtschaftskönigen“, die einst eiskalt und brutal entlassen haben und die nun nicht weniger eiskalt und genauso brutal selbst aus dem Spiel, das sich Berufsleben nennt, gekickt wurden: Wunderbar setzen die acht XOX-Schauspieler (Jeroen Blok, Agnes Bröker, Klaus Gerritzen, Dagmar Fischer, Ernst Hanßen, Gudrun Hütten, Manfred Küper und Gerd Walther) diese Top Dogs in den Ledersessel und auf die Seminar-Stühle, lassen sie zusammenbrechen, zur leeren Hülle werden, aufjaulen – ja, wieder zu Menschen werden. Es bleiben jene Häufchen Elend, die nicht einmal mehr in einem Chefsessel, sondern nur noch auf einem heißen Stuhl in einer Seminarrunde sitzen …

Es ist eine kalte Bühne, die Paterok fürs Stück kreiert hat – weiße, kalte Wände, davor Stühle wie im Wartezimmer, im Hintergrund eine Treppe. Auf der Bühne das ganze Ensemble, in immer neuen Grüppchen sind die Schauspieler die wechselnden Protagonisten im Spiel der Outplacement Agentur, die die einstigen Top Dogs wieder auf das Leben nach dem Beruf vorbereiten sollen. Dazwischen stehen Slapstick-Einlagen vom Laufen-Lernen der Manager und eine fast schon surreale Anbetung des Goldenen Kalbs Wirtschaft – in exstatischer Verzückung werden die Namen der großen Wirtschaftsplayer angerufen: „Oh Deutsche Bank“, aber auch mit Blick auf  National Starch  „Oh Henkel“ – denn hatte nicht Henkel den Klever Betrieb genauso kalt geschlossen, wie jene Manager entlassen wurden?           

Auch wenn diese Szene leichte Längen hatte: Ein ausgesprochen sehenswertes Stück mit großer Ensemble-Leistung, das begeistert gefeiert wurde und das man nicht verpassen sollte, selbst auf die Gefahr hin, sich in der Pause der Frage stellen zu müssen: „Und, hast du noch einen krisensicheren Job …?“    

 
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